Folgenbeschreibung
In dieser inspirierenden Episode von „Führung mit Herz und Verstand“ tauchen wir tief in die Welt der werteorientierten Unternehmensführung mit Marc Gebauer ein. Marc teilt seine umfangreiche Erfahrung und gibt Einblicke, wie er Unternehmen durch Veränderungsprozesse führt, die Kultur der Fehlerakzeptanz stärkt und Teams motiviert, über sich hinauszuwachsen.
- Anpassung an unterschiedliche Unternehmenskulturen: Marc erklärt, wie Flexibilität und die Bereitschaft, von anderen zu lernen, den Kern seiner Führungsphilosophie bilden.
- Werteorientierte Führung: Er betont die Bedeutung von Einstellung und Haltung über reine Fachkompetenz.
- Fehlerkultur als Wachstumsmotor: Marc teilt seine Erfahrungen mit der Einführung einer Kultur, die Fehler als Lerngelegenheit sieht.
- Die Rolle von Storytelling in der Führung: Er illustriert, wie effektives Storytelling Veränderungsprozesse unterstützen kann.
- Wertschätzung und Mitarbeitermotivation: Marc diskutiert, wie Anerkennung und Verständnis für Mitarbeiterbedürfnisse die Teamleistung steigern.
🎉 Vielen Dank, dass Du „Führen mit Herz und Verstand“ gehört hast! Wenn Dir die Episode gefallen hat, teile sie gerne mit Deinem Netzwerk. Abonniere den Podcast, um keine Folge zu verpassen, und hinterlasse uns eine Bewertung auf Deiner bevorzugten Plattform.
📧 Kontakt: Hast Du Fragen oder Anregungen? Schreibe uns gerne eine E-Mail an podcast@im-nu.com
🎤 Social Media: Folge uns auf LinkedIn und Instagram für Updates und Behind-the-Scenes-Einblicke.
Transkript
Normen
Heute darf ich euch einen ganz besonderen und wunderbaren Gast ankündigen. Wir beide haben sogar schon einmal zusammen in einem Wohnmobil übernachtet und uns dabei bis spät in die Nacht über Werteorientierung, Leadership und Motivation ausgetauscht. Sein Lebensweg ist so vielfältig wie beeindruckend. Geboren in der Welt der Bildung hat er schon früh seine Leidenschaft für Wirtschaft und Führung entdeckt.
Nach einem prägenden Jahr in den USA und seinem Wehrdienst hat er BWL studiert und in dieser Zeit bereits eine Full-Service-Werbeagentur gegründet. Seine berufliche Reise führte ihn vom Selbstklebespezialisten Herma zu Le Reco, einem französischen Handelskonzern für Bürobedarf und persönliche Schutzausrüstung, wo er ab 2011 als Geschäftsführer Deutschland die Entwicklung des Unternehmens mit fast 1000 MitarbeiterInnen maßgeblich prägte.
Nach 20 Jahren bei Lüreco trieb ihn die Neugier zum techiganten Amazon, wo er die Aufgabe hatte, einen speziellen B2B-Bereich aufzubauen. Heute steht er als Geschäftsführer an der Spitze der Steinbeiß Papier GmbH und navigiert dieses Traditionsunternehmen in eine digitale Zukunft. Du bist ein Beispiel, wie man berufliches Engagement und private Leidenschaft, sei es im Sport als Unterstützer des VfB Stuttgart oder als Vater und Ehemann, erfolgreich vereinen kann. Und damit sage ich herzlich willkommen im Podcast. Ich freue mich riesig, dass du hier bist. Marc Gebauer. Ich mich auch total. Marc, erzähle uns mal von dem Moment, als du wusstest, dass Wirtschaft und Führung deine Berufung sind. Gab es da irgendwie ein Schlüsselerlebnis?
Marc: Ja, moin zurück. Danke, Normen, freue mich auf unser Gespräch. Puh, also ich glaube, richtig Schlüsselerlebnis nicht. Das sind dann relativ viele kleine Momente, die vielleicht irgendwo einen dann in die Richtung treiben. Ich bin groß geworden im reinen Lehrer Haushalt, das heißt mit Volvo und Korthose und nicht mit Anzug und Mercedes. Und mein bester Freund damals, das ist ein Vater, war Niederlassungsleiter von Mercedes und ich habe dann immer irgendwo ganz fasziniert auf seinen Auftritt geguckt mit Anzügen und dem Stern auf dem Auto und hab da dann irgendwo für mich entschieden, hey, irgendwie fasziniert mich auch die Welt der Wirtschaft und möglicherweise kann ich mit dem, was mir meine Eltern mitgegeben haben, dort auch meinen eigenen Weg gehen. Und so hab ich mich immer auch ein bisschen an, sag ich mal, Feindbildern orientiert. Meine Eltern, wie gesagt Lehrer, Mayer Vorfelder damals, VfB-Präsident und Kultusminister, war natürlich das personifizierte Feindbild und ich fand den Menschen spannend und habe dann auch die Gelegenheit gehabt, ihn kennenzulernen und auch relativ eng kennenzulernen. Und insofern bin ich immer ein bisschen zwischen den Welten, sage ich mal hier, das eher sozialistische Lehrertum und da die eher kapitalistische Wirtschaftswelt hin und her gependelt und bin da aber, glaube ich, ganz gut angekommen.
Normen
Ja, also wenn man deinen Lebenslauf sich anschaut, dann ist er auf jeden Fall nicht nur spannend, sondern auch beeindruckend. Du hast im Laufe deiner Karriere ja, das passt vielleicht auch zu dem, was du gerade gesagt hast, wie du aufgewachsen bist, so mehrfach die Seiten gewechselt. Also du warst beim Markenartikler, dann beim Handel zu Unternehmen und bist dann zu einem Tech-Konzern gegangen. Wie hast du dich jeweils auf diese neuen Umgebungen und vor allen Dingen auf die neuen Kulturen, die du da erlebt hast, eingestellt?
Marc
Auch das ist vermutlich eher ein fließender Prozess. Ich habe, egal wo und in welcher Funktion ich gearbeitet habe, war es mir immer wichtig, permanent irgendwo die Perspektiven zu wechseln.
Also bei Herma in der Funktion als Peer-Counter, wenn es darum ging, Handelskunden zu betreuen, habe ich natürlich immer versucht, von deren Seite aus zu denken, was brauchen die, was wollen die, was könnten die cool finden, aber auch genauso, was finden die eigentlich weniger gut, um daraus dann zu überlegen und wie sieht meine Strategie dann letztendlich entsprechend?
aus. Insofern war es für mich jetzt keine große Sache, unterschiedliche Kulturen irgendwo mich darauf einzustellen.
Normen
Wenn du diesen Begriff der Kultur noch ein bisschen größer nimmst, dann triffst du ja auch auf andere Werte. Ich stelle mir das gerade, wenn man zu Amazon kommt, so vor. Das ist ja ein sehr junges Unternehmen. Also würde mich gleich mal interessieren, wie du da angekommen bist. Und das ist so auch mal eine Fragerichtung. Da gibt es vielleicht eine andere Führungskultur, da gibt es andere Werte, die wichtig sind, da gibt es ein anderes Miteinander. Wie bist du damit umgegangen? Wie hast du da deinen Stempel hinterlassen, aber gleichzeitig auch irgendwie von denen gelernt?
Marc
Ich habe zum Glück bisher immer in größeren Firmen gearbeitet, die eine eigene Wertekultur haben, die nicht diametral auseinander getrifftet sind, sondern die in vielen Bereichen auch überlappend waren. Insofern habe ich mich eigentlich in jeder Wertekultur auch wiedergefunden. Gerade Amazon arbeitet ja sehr strikt nach seinen Leadership Principles, zum Beispiel Customer Obsession.
Das war etwas, was wir bei Lüriko auch immer extremst gelebt haben. Und insofern nimmt man sich die Dinge vielleicht irgendwo raus, wo man das Gefühl hat, hey, da kann ich noch ein bisschen was lernen. Und gilt aber im Übrigen nicht nur für Firmen, wo ich gearbeitet habe, sondern ich finde es ohnehin spannend, welche Werte von Firmen kommuniziert werden. Und wenn mir da einer gefällt, dann adaptiere ich den.
Ich habe mich zum Beispiel mal eine Zeit lang mit dem Thema Mobility beschäftigt und in Hamburg gibt es eine Firma Free Now, die diese Taxidienstleistungen ein Stück weit digitalisiert hat. Und die haben einen coolen Wert oder Leitspruch, der heißt Make the customer the hero of your story.
Das habe ich für mich adaptiert, aber nicht nur bezogen auf Customer, sondern auch in meinem Leadership-Skillset, weil ich sage, hey, make the employee the hero of your story.
Und das sowieso. Ich bin, glaube ich, ein überragender Abschreiber. Das war schon in der Schule so. Nicht weil ich faul war, sondern weil ich immer versucht habe, Leistungen zu optimieren. Und mir war relativ schnell klar, ich kann das alleine machen, ich kann mich aber auch von den Ideen und Gedanken anderer bedienen.
Das heißt, ich habe dann nicht, sage ich mal, links und rechts komplett abgeschrieben, sondern ich habe geguckt, was haben die da, und möglicherweise gab es da was, das hatte ich nicht auf dem Zettel, dann habe ich das übernommen, aber nicht nur übernommen, sondern angeschärft mit meinen eigenen Gedanken. Und manchmal haben die auch vielleicht was Schlechtes geschrieben, das hat mich dann eher bestärkt, den Punkt, den ich hatte, auch nochmals irgendwo weiter auszubauen. Das Schöne war, ich war dann meistens immer ein bis zwei Noten besser als die, die von denen ich abgeschrieben habe.
Und das habe ich in meinem beruflichen Werdegang, glaube ich, ein Stück weit übernommen. Es geht nicht um Kopieren, sondern es geht darum, sich inspirieren zu lassen und zu überlegen, hey, was finde ich ganz cool? Was könnte man besser machen? Was gefällt mir gar nicht? Das bestärkt mich dann eher wieder in dem Weg, in dem ich bin. Und ich glaube, dieses permanente Reflektieren und dieses permanente Auseinandersetzen auch mit anderen Meinungen, mit anderen Wegen hilft dann, den eigenen Weg so zu gehen, dass er möglichst erfolgreich ist.
Normen
Also glaube ich im Übrigen auch, dass du hast das eben gesagt, dass Reflektieren da ein Werkzeug ist quasi, was du da immer wieder für dich benutzt hast. Dass das auch etwas ist, was gute Führungskräfte können, sich selbst und ihr Verhalten zu reflektieren, zu hinterfragen und dann aber auch zu entscheiden, so wie du das offensichtlich in der Schule ja gemacht hast.
nämlich zu sagen, hey, da gefällt mir Mainz aber besser oder das war eine gute Entscheidung oder das war ein gutes Feedback oder halt auch zu erkennen, das war nicht in Ordnung, dass ich das so gesagt habe oder so gemacht habe. Ich glaube, wenn man das kann als Führungskraft, dann bringt man eine Menge mit, um
Also auf eine gute Art, quasi andere Menschen zu führen. Und diese Inspiration, da musste ich gerade an Gerald Hüther denken, den Neurowissenschaftler, der mal gesagt hat, es muss eigentlich darum gehen, Menschen einzuladen, zu ermutigen und zu inspirieren oder zu begeistern von etwas. Und das ist ja das, was du da auch gerade sagst. Und wie gelingt dir das mit deinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen?
Marc
Du meinst sie zu inspirieren oder mitzunehmen? Ich glaube es ist essentiell wichtig, sich immer wieder auch in die Situation und Lage des Mitarbeiters zu versetzen. Um das überhaupt zu können, glaube ich, ist es wichtig, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.
Normen
Ja, genau.
Marc:
Das heißt, ich habe mir antrainiert, tatsächlich schon von klein auf immer wieder zu reflektieren, auch Chefs, die mich geführt haben. Was hat mir gut getan? Was hat mir nicht gut getan? Und dann nicht nur mit dem Gefühl stehen zu bleiben, sondern wirklich tief reinzugehen und zu fragen, warum? Was hat mich darin eigentlich gestört? Warum hat es mich gestört?
Was hätte ich mir besser gewünscht? Und über diese Schleifen gelingt es einem aus meiner Sicht dann auch einfacher, das Gleiche auf Mitarbeiter zu adaptieren. Und als ich bei Lüriko diesen größeren Veränderungsprozess eingeläutet habe, hin in so eine digitalere Zukunft, habe ich viele Dinge eben erstmal bei mir wirken lassen und spüren lassen, um verstehen zu können, was macht das mit mir? Was stört mich daran? Ich kann dir mal ein Beispiel geben. Ich bin groß geworden in einer eher konservativen Zeit und in eher konservativen Unternehmen. Und da ging es um Leistungsbereitschaft und da ging es um lückenlose Lebensläufe. Und so habe ich am Anfang oftmals auch eingestellt. Ich habe mir den Lebenslauf geguckt und die Lebensläufe, die irgendwelche Lücken hatten, die habe ich aussortiert. Jetzt hat sich die Welt natürlich irgendwo gewandelt. A wird es immer schwieriger, Mitarbeiter zu bekommen. Und B brauchen wir vom Grundsatz eigentlich genau die Mitarbeiter mit den Lücken. Und da musste ich erstmal mit mir irgendwo ins Gericht gehen. Warum habe ich die denn immer aussortiert? Und ganz am Ende der Schleife ist mir bewusst geworden,
Ich muss jetzt diesen Menschen das gewähren, was mir damals verwehrt worden ist.
So und wenn man das erkennt, dann kann man auch die Aufgabenstellung umdrehen und kann sagen ja genau und das wird von mir jetzt erwartet. Das muss ich genau diese Hürde muss ich jetzt überspringen und sagen großartig, dass wir jetzt in einer Gesellschaft, in einer Kultur, in einer Zeit leben, wo genau diese Fähigkeiten genutzt werden müssen und gebraucht werden müssen. Das war ja anders, hat sich auch die die Anforderungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in den vergangenen Jahren ja auch massiv verändert. Weißt du, in den Nachkriegsjahren, was war denn die Anforderung oder die Wünsche, die ein Arbeitnehmer in Richtung Arbeitgeber hatte, die war, ich will einen sicheren Job. Ich will Sicherheit und Konstanz. Und dafür bin ich dir bereit zu geben, Gehorsam und Anpassung. Ja, klar, das hat sich ja komplett verändert. Heute brauchen Unternehmen Leute, die keine Anpassung geben, sondern Leute, die Neugier, Mut, Veränderungswillen mitbringen. Aber die Mitarbeiter catcht du natürlich nur, indem du als Arbeitgeber nicht einförderst, ich will Gehorsam und Anpassung und Prozesse, sondern die catcht du, indem du sagst, ich biete dir Individualisierungsmöglichkeiten und Freiräume. Und so hat sich das verwandelt und das muss man dann halt auch mittragen. Aber erst nachdem ich bei mir, um auf den Punkt zurückzukommen, auf die eigenen Schmerzen aufmerksam geworden bin, war ich in der Lage, das Ding dann auch als Beispiel zu übersetzen an meine Führungskräfte, weil ich sicher war, dass sie vom Grundsatz genau dieselben Schmerzen haben. Und dann haben wir eine ganze Reihe von Dingen umgestellt.
Normen
Das finde ich mega spannend, was du gerade sagst, weil ich muss gerade an die vielen Diskussionen denken, die ich mit Führungskräften in den Workshops führe, wo es genau um diese Thematik geht, die Jugend von heute, was die alles nicht mehr können und nicht mehr machen und nicht mehr leistungsbereit sind, wahrscheinlich auch nicht mehr gehorsam sind, wie das früher der Fall war.
Und das wäre ja ein spannender Effekt. Also ich stelle manchmal auch die Frage, schwingt da vielleicht auch eine Runde Neid mit? Ich hätte das vielleicht selber auch gerne gehabt, mich vier Wochen um mein Kind zu kümmern, also Stichwort Elternzeit, aber es war gar nicht möglich, das damals zu machen. Und das, was du sagst, geht ja sogar noch einen Schritt darüber hinaus. Also nicht nur an der Oberfläche zu bleiben, so habe ich das verstanden, sondern wirklich tiefer zu gehen und zu sagen, hey, was ist da eigentlich in mir, was irgendwie unbefriedigt ist an Wunsch, an Bedürfnis, an Erwartung und wo hakt das dann mit dem, was die anderen mitbringen?
Marc
Aber klar, und genau das ist ja der Punkt. Ich meine, wer hat die Kraft, sich selbst zuzugeben, hey, ich bin neidisch? Das macht mein Unterbewusstsein, aber da muss ich erst mal reinkommen. Wenn ich das aber weiß, ist das eine wahre Beauty, weil ich dann genau weiß, okay, wie kann ich dann irgendwo drauf reagieren? Ich gebe dir gerne ein anderes Beispiel.
Wir haben, als wir diesen Veränderungsprozess bei Lureco hatten, haben wir gesagt, Mensch, wir müssen die Leute mehr abholen. Lass doch mal so eine Art digitale Challenge im Innovations-Ideen-Bereich machen und haben dann so eine Art Innovationsplattform gegründet, die nannte sich Shake. Und dann hat man irgendwo eine Frage gestellt, was sich, wie wollen wir unsere Kunden in einem digitalen Zeitalter begrüßen? Und jeder Mitarbeiter wurde eingeladen, dort Ideen zu pitchen. Und jeder andere Mitarbeiter hat die Möglichkeit gehabt, eigene Ideen zu pitchen oder auf die gepitchten Ideen irgendwelche Kommentare abzulassen. Und mit jeder Interaktion auf dieser Plattform hast du so virtuelle Edelsteine gekriegt und nach zwei Wochen hat so eine Jury die drei besten Ideen gepickt und auf die konnte man dann seine Edelsteine setzen und die Idee, die die meisten Edelsteine hatte, hat dann gewonnen, hat ein kleines Budget gekriegt und konnte das umsetzen.
Und bevor wir damit live gegangen sind, haben wir erst mal alle Ländergeschäftsführer eingeladen, sich an so einer Challenge zu beteiligen. So, jetzt bin ich, weißt du, natürlich hergegangen, Maximizer und Volksleistung, das Ding gewinne ich. Und dann habe ich mich hingesetzt und habe eine Idee da zusammengebastelt und da so lange gefeilt, bis sie auf einer halben Seite war und knackback, da gab es dann keinen Kratzer links, rechts, oben, unter. Die war perfekt und mit der bin ich ins Rennen gegangen.
Und dann habe ich die anderen Ideen von den Kollegen gelesen, die waren da eher so ein bisschen hingerotzt, die waren so halb gar, so halb fertig. In mir war klar, das Ding gewinne ich. Und als dann die Jury diese besten drei Ideen ausgewählt hat, war meine nicht dabei. Und es hat mich total geärgert und dann musste ich auch wieder irgendwo in mich einsteigen und überlegen, Mensch, was ist da passiert? Und am Ende ist mir klar geworden, wir sind dabei und das, so laufen nun mal Innovationsprozesse, wegzukommen von der Individual Performance zu einer Collaborative Performance. Ich bin aber in der Individual Performance Zeit aufgewachsen. Meine Präsentation, meine Idee, Mein Erfolg. Und durch diese eigenen Erfahrungen habe ich verstanden, hey, wie geht es eigentlich meinen Peers und wie kann ich es dann sichtbar machen, wenn sie vielleicht nicht die Kraft haben, so tief irgendwo einzusteigen, aber das Thema zu erklären. Und das waren wirklich tolle Lernerfahrungen, die ich dann natürlich in die Zukunft mit übertragen konnte. Weil meine Idee war einfach zu perfekt, da konnte keiner mehr dran andocken.
Normen
Okay. Also was würdest du sagen, was ist notwendig, wenn ich erkenne, dass das wertvoll und toll ist, was du da gemacht hast? Also vermutlich gibt es ja noch mehr Beispiele, wo du dich in Frage gestellt hast, weil du irgendein Erlebnis hattest, wie die zwei, die du gerade beschrieben hast. Also was müsste ich tun als Führungskraft, wenn ich das auch können möchte?
Marc
Boah, das ist eine große Frage. Und zwar deswegen, ich glaube, das hat viel auch mit Mut und Einstellung zu tun. Also Mut, sich eigene Schwächen zuzugestehen. Und Mut, diesen Weg dorthin zu gehen. Weil der ist ja nicht besonders schön, erst mal. Also man hat irgendwo ein Gefühl. Und der einfachste Weg ist dann dieses Gefühl erst mal in, negative Energie zu führen, also Verärgerung zum Beispiel. Ey, ich kann nicht nachvollziehen, dass die meine Idee nicht genommen haben. Die sind alle bekloppt, die sind alle blöd. Und dann kann ich mit dem Prozess, das ist immer einfach, aufhören und kann mich anderen Dingen widmen. Dann habe ich aber nichts gelernt. Sich damit aber dann erst mal nachhaltig zu beschäftigen. Warum wurde meine Idee nicht genommen? Was habe ich falsch gemacht? Was hätte ich besser machen können? Woran hat es gehakt? Das ist ja ein Prozess, wo ich erstmal Antworten langsam suchen muss und der tut natürlich weh. Und ich glaube, wenn es einem gelingt, diesen Prozess nicht als schmerzhaft anzusehen, sondern dankbar als Lernchance, dann hat man viel gewonnen.
1206.118
Normen
Okay. Also ich überlege gerade, wo man in so einem klassischen Werdegang, also wie du den ja auch hinter dir hast, also du bist zur Schule gegangen, sogar noch bei Lehrern aufgewachsen, hast dann ein Studium gemacht, was dann bei der Bundeswehr, also zumindest im Wehrdienst, hast dann studiert, bist dann ein Unternehmen eingestiegen. Das sind ja in Also aus meiner Perspektive sind das ja alles Dinge, wo dieser Prozess, den du gerade beschrieben hast, also in den seltensten Fällen wirklich einem beigebracht wird. Also wenn ich sehe, mein Sohn, der schreibt eine Klausur, dann setzt der sich hinterher eigentlich nicht hin oder wird da auch nicht angeleitet. Also wir machen das mit ihm, zu fragen, was hätte er jetzt anders machen können.
Also diese Reflektionsidee quasi aufzugreifen. Zumindest erstmal oberflächlich, also der ist zwölf. Aber ich sag mal, es muss ja irgendeine Art von Hinführung geben, bevor man wirklich an so eine Schmerzpunkte kommt, wie du hast. Hast du eine Idee, was dir geholfen hat oder vielleicht auch wer dir geholfen hat, das hinzukriegen für dich?
Marc
Ich glaube, das hat sich mehr und mehr entwickelt. Ich habe schon immer gern irgendwo reflektiert. Das hat schon relativ früh angefangen. Ich habe Meyer Vorfelder erwähnt. Ich war dann immer bei den Mitgliederversammlungen. Und dann gibt es immer so einen Punkt, Aussprache und Verschiedenes. Und dann gibt es immer ganz dubiose Redebeiträge von aufgebrachten Fans, weil damals einfach auch das Verhältnis zwischen Vereinsführung und Fans irgendwo immer ein bisschen angeknackst war.
Alphatiere wie Meyer Vorfelder oder bei Hannover 96 Kind natürlich irgend so ein bisschen Mitsicht. Und für mich war es immer, ich habe mir immer einen Spaß daraus gemacht zuzuhören, was sagt dann eigentlich Meyer Vorfelder und wie hätte ich vielleicht besser reagiert. Also ich habe es natürlich leicht gehabt, ich muss mich nicht konzentrieren.
Ich habe die Stimmung im Saal wahrgenommen, ich habe den Redebeitrag wahrgenommen und ich habe die Antwort von dem Heier Vorfelder wahrgenommen und habe mir immer überlegt, was war brillant, was war gut, was hätte ich vielleicht anders machen können und das hat sich dann vom Grundsatz auch, wenn ich Politik-Talkshows oder wie auch immer sehe, dann gucke ich die Maus genau diesen Blickwinkel an. Was hätte ich möglicherweise oder was hätte man möglicherweise besser sagen können und das schärft dann vielleicht die Konzentrationsfähigkeit und macht diesen auch Reflektionsprozess so etwas vielleicht dann ganz spannenden oder angenehm.
Normen
Du hast vorhin erwähnt, dass du bei dir den Schmerz entdeckt hast, so habe ich das verstanden zumindest, bei den Lücken im Lebenslauf, dass du keine Lücke im Lebenslauf hattest. Hast du den später nochmal stillen oder wie gesagt, verarzten können, diesen Schmerz?
Marc
Ja, also ich habe in meinem Leben auch neben der beruflichen Karriere relativ viel andere Dinge parallel gemacht. Vielleicht nie zu 100%, aber es hat zumindest mein Bedürfnis gestillt, das Leben in seiner ganzen Großartigkeit, in diesem Rausch der Möglichkeiten, so gut es geht, irgendwie wahrzunehmen. mal während der Schule zwei Jahre in einer Band singen dürfen. Wollte ich schon immer mal machen, war eine coole Erfahrung. Ich habe zwar keine Hallen gefüllt, aber dann waren es halt kleinere Clubs mit 50 Leuten. Also konnte ich für mich einen Haken machen, hey Musikerkarriere, haste gehabt. Ich habe eine Weile lang Leistungssport gemacht und habe Fußball und Leichtertätig gemacht. Das war auch großartig, durfte bei den Stuttgarter Kickers in der Jugend spielen. Ich bin nicht Profi geworden, hätte ich auch gern gemacht, aber ich konnte zumindest für mich sagen, ich war mal irgendwie nah dran und habe es ein Stückchen miterleben können. Und so habe ich versucht in allem, was ich tue, mich immer mit anderen Dingen auch parallel irgendwie zu bereichern. Insofern hege ich keinen Groll, dass ich keine Lücken im Lebenslauf habe. Und wenn du draufguckst, habe ich die ja vielleicht ein Stück weit dann am Ende doch, weil ich mir die Zeit gegönnt habe, zwischen der Zeit bei Le Recco und Amazon noch eine Ausbildung zum Business-Coach zu machen und mich da zertifizieren zu lassen und habe damit dann auch eine Art gehektes Hobby irgendwo erfüllen können.
Normen
Inwieweit hat diese Ausbildung zum Business Coach deine Sicht auf Führung und Management verändert?
Marc
Ach, sie hat sie eher nochmals bestärkt, dass ich mit dem Stil, mit dem ich für mich irgendwo unterwegs bin, den ich für mich gefunden habe, gar nicht so falsch liege. Und ich habe mir dann natürlich da auch, was Methodenkompetenz anbelangt, das eine oder andere, was ich vielleicht instinktiv gemacht habe, nochmals ein bisschen nachgeschafft und verfeinert. Und es gab sicherlich auch eine ganze Reihe von Learnings, die für mich super waren und wertvoll waren. Also zum Beispiel diese systemischen Gesetzmäßigkeiten, die hatte ich vorher so gar nicht richtig drauf, die dienen mir heute in vielerlei Hinsicht auf als Kompass. Zum Beispiel nur was du würdigst, kannst du verwandeln.
Normen
Gib mal ein Beispiel zu so einer systemischen Gesetzmäßigkeit, die dir, die dir in deinem Alltag als Führungskraft, als Geschäftsführer hilft.
Marc
ist für mich ein Glaubenssatz geworden, den finde ich gut. Oder das, was ist, hat erst mal Vorrang, was Würdigung anbelangt.
Normen
Hast du da Bilder für uns, wo du das in der Vergangenheit, also vielleicht auch vor deiner Business-Coach-Ausbildung, aber wo du im Prinzip so gehandelt hast, weil du hast ja gesagt, es gab auch viel Bestätigung, wenn das Teil deiner Wertewelt ist?
Marc
Klar, als wir bei Lyreco diesen Veränderungsprozess angestoßen haben, dann kann man sich dem in zweierlei Dinge nähern. Man kann sagen, Leute, die Welt hat sich verändert, wir machen gerade alles falsch, wir müssen die Dinge irgendwie neu machen. Das ist vom Grundsatz kein guter Weg, weil das erst mal den Leuten mitgegeben, hey, für all das, für das ich die letzten Jahre jetzt gekämpft habe und da mein letztes Hemd gegeben habe,
1611.698
Marc
ist scheinbar irgendwie schlecht gewesen, weil jetzt müsste es ja verändern. Also muss die Kommunikation aus meiner Sicht, und so haben wir es auch angefangen, sein eher zu sagen, hey, das was wir in der Vergangenheit gemacht haben, was wir uns erarbeitet haben, ist großartig. Und wir haben das nur geschafft, weil wir immer im Kleinen in der Lage waren, uns anzupassen.
1612.073
normen
Das war’s für heute.
1632.125
Marc
Und diese Fähigkeit, die wir da entwickelt haben, macht mir Mut, dass wir jetzt gemeinsam auch größere Schritte angehen können. Dann hat man eine ganz andere Story, sag ich mal. Für mich ist Storytelling in der Führung ohnehin extrem wichtig. Und oftmals vergisst man aus meiner Sicht das und lässt dann viel Potenzial liegen. Woran kann ich das festmachen? Ich gebe dir mal ein Beispiel bei Amazon. Bei Amazon in der Zeit, in der ich dort war, das war so die Nach-Corona-Zeit, waren die meisten Leute ja im Homeoffice. Und Andy Jesse und seine Führungskräfte haben irgendwann gesagt, Mensch, dann verlieren wir aber ein Stück weit Innovationskraft. Wir machen jetzt so eine Return-to-Office-Polizie und wollen, dass die Leute mindestens drei Tage im Office sind.
Und das ist natürlich auf große Widerstände gestoßen. Und dem wurde begegnet mit einer klaren Argumentation. Innovationsprozesse laufen gemeinsam als Team besser. Unternehmenskultur ist vor Ort in den Offices mehr erlebbar als in den unterschiedlichen Homeoffices. Alles richtig. Ich bin auch kein Fan vom Homeoffice. Aber was man versäumt hat, ist, sich tatsächlich mit den Mitarbeitern und zwar den niederen Instinkten, sag ich mal, auseinanderzusetzen. Wo sind die Schmerzen?
Und wenn man das macht, dann kommt man relativ schnell und da hilft dann vielleicht auch die Eigenreflektion. Wo sind denn meine Schmerzen irgendwo? Im Homeoffice hat es einen Vorteil. Ich spare Lebenszeit. Und ich spare Geld, nämlich das Geld, das ich investieren muss, um ins Office zu fahren. Und wenn ich es mir jetzt über zwei Jahre im Homeoffice warm und kuschelig gemacht habe und soll jetzt wieder regelmäßig ins Office gehen, dann bedeutet das, ich muss plötzlich mehr Zeit einsetzen, die ich nicht bezahlt kriege, nämlich die Anfahrtszeit und die Rückfahrtszeit. Und ich muss wieder mehr Geld ausgeben, weil ich muss entweder den Sprit oder das Zugticket bezahlen.
Darüber spricht aber keiner, weil der Mitarbeiter natürlich sagt, ja eigentlich davor habe ich es auch selber zahlen müssen. Und der Arbeitnehmer sagt, das Fass will ich erst gar nicht aufmachen, weil sonst heißt es, du musst es irgendwo zahlen. Zeitgleich kam dieses Deutschland-Ticket auf.
Und jeder Mitarbeiter bei Amazon hat, wenn er wollte, dieses Deutschland-Ticket bekommen. Großartig. Was man aber versäumt hat, und das hätte ich möglicherweise anders gemacht, genau diesen Umstand zu nutzen und zu sagen, hey, return to office. Ich habe euch erklärt, warum uns das wichtig ist. Ich sehe aber auch, dass jeder von euch gefühlt das Gefühl hat, wow, jetzt muss ich irgendwie eigenes Geld investieren, um wieder ins Office zu kommen.
Das können wir euch nicht nehmen, aber wir können euch den Schmerz ein Stückchen mildern, weil wir verstehen, dass es euch nervt und deswegen haben wir entschieden, ihr bekommt alle das Deutschlandticket dafür und sonst. So hätte man diesen Punkt aus meiner Sicht elegant therapiert mit dem richtigen Storytelling. Ich gebe dir ein anderes Beispiel. Als wir damals bei Lüriko unser Headquarter von Böblingen bei Stuttgart nach Barsinghausen bei Hannover verlagert haben, hat der damalige Geschäftsführer, ich war da noch nicht in der Geschäftsführung, also in der Weiterten als Vertriebsdirektor, aber war noch nicht Geschäftsführer, hat der damalige Geschäftsführer eine neue Hausordnung aufgelegt. In der stand unter anderem drin, es ist verboten, am Arbeitsplatz zu essen. Man sollte es in der neuen Kantine machen. Und diese Hausordnung wurde dann an die Mitarbeiter verschickt. Das Ergebnis war, da standen noch viele andere Dinge, die eigentlich ganz cool waren drin, aber das Ergebnis war, dass 90 Prozent der Mitarbeiter so einen Hals hatten, weil sie gesagt haben, jetzt wird mir verboten, am Arbeitsplatz zu essen. Was bedeutet Storytelling für mich? Ich bin dann in die einzelnen Abteilungen rein und habe den Versuch, das Ding zu erklären, nämlich Leute wie ihr, so auch ich, haben wir eine extremst hohe Arbeitseinstellung und Arbeitserfassung. Das äußert sich, dass wir in Böblingen, und ihr werdet mir recht geben, wenn ihr dadurch die Räumlichkeiten gegangen seid, immer am Arbeitsplatz unser Brötchen reingeschlungen haben und nebenher E-Mails gemacht haben. Jetzt haben wir aber eine Fürsorgepflicht für unsere Mitarbeiter. Und die heißt, wir möchten, dass ihr nicht durcharbeitet, sondern dass ihr Pause macht. Und weil das mit guten Appellen nichts genutzt hat, Schreiben wir uns das jetzt in die Hausordnung, damit wir sicherstellen, dass, obwohl jeder genügend zu tun hat, ich weiß es, dass wir uns trotzdem die Zeit nehmen, ab und zu mal eine kleine Pause zu machen, unser Brötchen in der Kantine zu essen. Und das hat den positiven Nebeneffekt. Wir haben eine neue Set-Quarter, wir haben viele neue Kolleginnen und Kollegen, die lernen wir kennen, wenn wir das gemeinsam in der Kantine tun und nicht, wenn jeder alleine vor seinem Bildschirm mampft. Und über diese Art of Storytelling kriegst du diesen Punkt ganz anders transportiert und möglicherweise sogar noch zwei, drei zusätzliche positive Matches, weil der Mitarbeiter das Gefühl hat, hey, die machen sich tatsächlich Gedanken um.
Normen
Ja genau, also was da mitschwingt ist ja, also bei beiden Geschichten ist ja auch ein hohes Maß an Wertschätzung, weil ich mich versuche, dass das, was ich so dachte, ich versuche mich als Führungskraft, und das halte ich für extrem wertvoll und sinnvoll, quasi den Blick meiner Mitarbeiterinnen irgendwie einzunehmen und zu gucken, du hast das vorhin gesagt, wo ist deren Schmerz? Und das hat ja auch was mit Zeit zu tun. Das mache ich ja nicht eben so, sondern da muss ich mir ja Zeit nehmen, als Führungskraft das zu machen und das nicht einfach nur anzuordnen. Und vielleicht auch zu gucken, also vielleicht scheitere ich auch mit dem einen Ansatz, da muss ich ja den nächsten suchen. Das kann ja auch passieren. Dein erster Gedanke wird ja nicht immer direkt funktioniert haben, sondern es wird ja vielleicht auch ein zweiter oder ein dritter notwendig gewesen sein, um diesen Weg hinzukriegen. Aber die Widerstände, stelle ich mir vor, die waren oft geringer bei diesen alternativen Wegen, die du gefunden hast.
Marc
Ja, ich glaube es ist wichtig, den Mitarbeiter abzuholen und durch eine möglichst hohe Transparenz auch Verständnis zu bekommen. Ich als Führungskraft muss natürlich oftmals auch Entscheidungen treffen, die sind per se für den Mitarbeiter vielleicht nicht gleich verstehbar oder auch negativ kommentiert. Und ich glaube, wenn es mir im Vorfeld gelungen ist, Distanzen abzubauen, Nähe aufzubauen, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, dann wird einem als Führungskraft, der man vertraut, der man folgt, viel öfters verziehen, wenn auch mal härtere Entscheidungen getroffen werden müssen. Wichtig dabei ist es aber, die Mitarbeiter immer entsprechend abzuholen.
Normen
Ich habe vier Erfolgsfaktoren für Veränderungsprozesse und da ist also eine Partizipation, Akzeptanz, Transparenz und Kompetenz. Ach ja, mein K. Die Kompetenz, genau. Also, dass ich, gerade wenn ich so Digitalisierungsprozesse habe, wo du ja auch eine mit durchlebt hast, dann sind das natürlich auch oftmals Kompetenzen, die die Mitarbeitenden brauchen, um mitzumachen, um mitzugehen auf diesem Weg. Und das ist ja das, was du auch hattest. Bevor ich zur Abschlussfrage komme, hätte ich noch eine letzte Frage. Das hat mich in unseren letzten Gesprächen so sehr beeindruckt und da würde ich gerne noch mal den Scheinwerfer kurz hinrichten. Und zwar die Frage, was bedeutet für dich werteorientierte Unternehmensführung und wie setzt du die in deinem Alltag um, ganz konkret?
Marc
Also es gibt ja eine ganz eigene wissenschaftliche Definition für werteorientierte Unternehmensführung. Ich für mich selbst habe das eher nochmals ergänzt im Sinne von, welche Werte sind mir denn eigentlich besonders wichtig? Und für mich wichtig sind Einstellung und Haltung. Deswegen versuche ich auch schon beim Hiring-Prozess vor allem rauszufinden, welche Einstellungen bringen die Leute mit. Ich habe für mich mal so einen Leitspruch entwickelt, Hiring for Attitude, Train for Excellence. Und das hat sich eigentlich immer bewahrheitet. Einstellung ist die Basis, die es braucht, um dann tatsächlich auch Dinge wirklich lernen zu wollen, lernen zuzuzukönnen. Am Ende muss ich bei mir als Führungskraft anfangen. Ich muss mir meiner Vorbildrolle bewusst sein. Und dann muss ich mir überlegen, was ist mir wichtig. Und dann muss ich die Dinge auch vorleben. Also ich gebe dir mal ein Beispiel. Es gab eine Phase bei Lyreco, wo wir gekämpft haben, unsere Ertragsbudgets zu erreichen.
Und was macht man dann als Geschäftsführer? Man beginnt Kosteneinsparungsinitiativen zu platzieren und damit man auch die Achtsamkeit. Der Mitarbeiter gewinnt, überlegt man sich auch ein, zwei Einschnitte, die nicht besonders kriegsentscheidend sind, was die Kosten anbelangt, die aber diesen Einsparmodus klarmachen. Also zum Beispiel nur noch Wasser und kein Cola mehr auf den Tischen, wenn es Meeting hat und keine Kekse mehr. Wenn man dies tut, dann muss man aber tunlichst darauf achten, dass man als Geschäftsführer die Dinge vorlebt. Jetzt ist in diese Zeit eine Exkursionsreise gefallen nach Schanghai, wo die Ländergeschäftsführer unter Anleitung verschiedene Firmen besucht haben, um eben zu gucken, wie machen das andere mit digitalen Transformationsprozessen und so weiter. Dem konnte ich mich ja nicht verwehren.
Aber mir war wichtig, dass ich dann nicht Business fliege, sondern Holzklasse. Und ich war der einzige Geschäftsführer weltweit, der an der Holzklasse geflogen ist. Aber das sind die Themen, wo man aus meiner Sicht viel Porzellan zerschlagen kann, wenn man da nicht drauf achtet. Denn meine Assistentin fragt mich, was soll ich buchen? Und der sage ich Holzklasse. Und die Dame in Finance, die muss es irgendwann einlocken und den Beleg bezahlen. Das heißt, so was streut sich im Unternehmen. Und ich glaube, bei diesen Kleinigkeiten muss man einfach aufpassen, wie man Dinge vorlebt.
Im Übrigen etwas, was man als Führungskraft aus meiner Sicht viel zu selten tut, zu überlegen, wie kann ich Messages visibel platzieren und dann ein Gespür dafür zu kriegen und wann ist die richtige Situation, das zu tun. Als ich bei Lyreco angefangen habe, eine Fehlerkultur einzuführen, die wir gebraucht haben, um uns tatsächlich irgendwo zu verändern, in der Vergangenheit war eines der Werte Perfektion.
Das war großartig, als der Prozess gut funktioniert hat und wir ein gut gegen das Geschäft hatten. Perfektion ist ein gefährlicher Weg, wenn es darum geht, neue Geschäftsmodelle, neue Produktmodelle zu entwickeln. Also war mir klar, wie kann ich Zeichen setzen? Und das Schöne ist als Geschäftsführer, wenn irgendwo mal ein großer Fehler passiert, dann ist man in der Regel der Letzte, der es auf den Tisch kriegt. Das ist ja erstmal schön durch die ganze Firma gegangen. Und wenn man es da auf den Tisch kriegt, weiß man, die ganze Firma ist jetzt gespannt, was passiert. Jetzt hatte ich eine Dame im Marketing, die hatte irgendwo bei der Eingabe von Preisen ein, zwei kleinere Fehler gemacht, was aber erstmal ein Schaden von 140.000 Euro war, weil einfach falsche Preise gezogen wurden, die wir dann nicht mehr zurückdrehen konnten. Also war mir klar, die ganze Firma wartet jetzt. Wie reagiert der Gebauer? Dann bin ich also in diese Marketing-Abteilung gelaufen, relativ stramm in Schrittes, damit auch jeder aufwacht, der da vielleicht gerade irgendwie nicht ganz konzentriert bei der Sache ist, und hab relativ laut die Tür aufgerissen, um sicherzustellen, das war ein Großraumbüro, dass mir alle Blicke folgen. Und dann bin ich zu dieser Dame gelaufen, hab sie vom Stuhl genommen, hab sie in den Arm genommen und gesagt, weißt du, Anita, Du hast so wahnsinnig viele gute Dinge getan für uns, die uns so geholfen haben. Und wenn jetzt so ein Fehler passiert, hey, dann ist der so klein im Vergleich, was du sonst so für uns geleistet hast. Das Schöne ist aber, wir haben ein tolles Team, die natürlich mittlerweile alle hochgeguckt haben. Und lass uns doch mal gemeinsam überlegen, welche Initiative können wir jetzt ins Leben rücken, um genau diese Gap, die wir da jetzt hatten, vielleicht in den nächsten drei Monaten aufzuholen. Und dann habe ich einen Workshop gemacht und wir haben geguckt, was können wir vielleicht dann zusätzliche Initiativen machen, um genau diese 140.000 Euro wieder einzuholen. Haben wir zwar nicht eingeholt, aber das Entscheidende war, du kannst mit solchen Beispielen nachhaltig einen Druck hinterlassen und auch vorleben, um was es dir bei einer Fehlerkultur am Ende geht.
Normen
Und das ist ja, finde ich, ein mega Beispiel für das Thema Werteorientierung. Also das gelebte Werteorientierung, so müsste man sagen. Weil wenn ich das eine will, dann kann ich nicht was anderes machen. Wie sagt man? Wasser predigen und Wein saufen, das wäre sozusagen der Gegenentwurf dazu.
Marc
Ja. Und am Ende ist es so einfach und macht dann auch irgendwo Spaß. Ich könnte noch zwei, drei andere Dinge erzählen wo aus meiner Sicht am Ende vielleicht auch eine gewisse Werteorientierung rauskommt oder wo ich auch gelernt habe, warum es auf Werteorientierung ankommt. Im Logistikbereich haben wir, um das saisonale Geschäft irgendwo abzudecken, natürlich immer Spitzen, wo wir auf Zeitarbeitskräfte zurückgreifen mussten. Und das haben wir getan und irgendwann wurde mir eine Statistik gezeigt, wo drin stand, manche diese Zeitarbeitskräfte, die brechen meistens immer nach drei Tagen wieder ab. Was natürlich für die eigenen Leute schlecht ist, weil die müssen dann wieder irgendwo jemanden einlernen. Und dann habe ich überlegt, Mensch, woran kann das liegen? Wir haben dann erst mal die Zeitarbeitsfirma gewechselt, haben mit dem so ein anderes Pilotprojekt geschnitzt. Aber ich habe gedacht, Mensch, vielleicht liegt es tatsächlich an dem Thema Wertschätzung.
Und dann habe ich jede Woche freitags um Viertel nach eins alle neuen Zeitarbeitskräfte, das waren in der Regel acht bis zwölf Leute, antanzen oder versammeln lassen und habe die begrüßt. Und habe gesagt, Mensch, ich bin Ihr Geschäftsführer, ich bin der Marc, ich habe da so eine Dutzkultur eingeführt gehabt, habe denen von meinem Credo berichtet, dass ich der Meinung bin, wenn man Produkte mit einem Lächeln in den Karton packt, dass das Lächeln beim Kunden wieder rauskommt.
Hab denen erzählt, welche Werte mir letztendlich wichtig sind, wie wir zusammenarbeiten und hab die versucht abzuholen. Das war natürlich am Anfang eine relativ steife Veranstaltung, ja. Und hat gesagt, Mensch, habt ihr ein paar Fragen? Hat natürlich keine Fragen irgendwo gestellt. War auch immer nur eine Veranstaltung von zehn Minuten. Aber der Impact, der Effekt war riesig. Weil die haben wahrscheinlich im ganzen Leben noch nie einen Geschäftsführer gesehen. Die sind abends nach Hause gegangen, haben gesagt, Hilde, du weißt nicht, was mir passiert ist.
Und wenn der dann einen leisen Anflug von Schnupfen hatte, dann war klar, dass Hilde zu ihm sagte, in die Firma gehst du aber trotzdem, mein Freund. Vielleicht ein bisschen überzogen gesagt. Aber es war für die Leute wichtig, gerade weil es auch Zeitarbeitskräfte waren, weil ich ihnen natürlich gesagt habe, ihr seid genauso Teil der Familie. Und es war auch für mich wichtig, weil offen gestanden als Geschäftsführer hast du oftmals echt nur mit Mist zu tun.
Normen
Ja, ja, ja.
Marc
Und die zehn Minuten waren auch für mich zehn Minuten gut investierte Zeit, weil ich mir da wieder positiven Spirit und Energie abgeholt habe und die ich gebraucht habe und die vielleicht eher unangenehmen Dinge dann irgendwo auch zu überwerkstelligen.
Normen
Ich finde, das, was du mit den acht bis zehn Leiharbeitskräften sagst, bei vielen meiner Kunden ist das so, dass die irgendeine Art von Zeitarbeit oder Nachunternehmertum haben, also Menschen, die nicht direkt beim eigenen Unternehmen sind. Und ich hatte das tatsächlich schon gerade bei jüngeren Führungskräften, wenn es dann so ein Gap gibt zwischen gelebten Werten bei eigenen MitarbeiterInnen und Fremden, dann formulieren das mittlerweile auch Führungskräfte, mir gegenüber zumindest, dass sie da Irritationen haben. Also wenn quasi mit den eigenen Menschen irgendwie so umgegangen wird, dass ich sie hochhebe und sie wertschätze, aber wenn das mit den anderen passiert, mich dann darauf zurückziehe und sage, hey, sind ja nicht meine, die gehören ja dem anderen. Ich meine, es geht dann am Ende sicherlich nicht nur um die Wertschätzung, sondern ich habe natürlich das Modell eingeführt, dass wir gesagt haben, wir werden nicht mehr extern rekruten, was Positionen im Lagerumfeld anbelangt, sondern wir haben ein Modell etabliert, wo wir gesagt haben, Zeitarbeitskräfte, die länger als neun Monate bei uns arbeiten, werden dann vom Grundsatz auch übernommen und bekommen ein Lyreco fest. Das wurde dann natürlich auch kommuniziert. Das gehört dann natürlich auch ein Stück weit mit dazu, um das Prozessual dann irgendwo auch zu verankern.
Normen
Um es auch glaubwürdig zu halten. Das ist ja das, worum es geht am Ende. Sind das wirklich die Werte oder schreibe ich mir das auf die Fahne, weil es sich schön liest? Das ist ja das Gap. Mark, tolle Beispiele. Meine letzte Frage aufgrund der fortgeschrittenen Zeit. Ich habe das in unserem Vorgespräch ja schon gesagt. Es könnte passieren, dass wir uns doch länger als 30 Minuten unterhalten.
Marc
Genau. Genau. Genau.
2736.903
Normen
Aber alle Zuhörer:innen, die jetzt noch dabei sind, die haben dir offensichtlich sehr gerne gelauscht und ein Beispiel. Marc, welche drei Pressemeldungen würdest du gerne von dir oder deinem Unternehmen oder über das Thema Führung in den nächsten sechs bis fünf Monaten lesen?
Marc
Das fragst du jetzt natürlich in den Ex-Emissionen, wo das Thema Produktneuentwicklung immer über sogenannte PR FAQ Dokumente gemacht wurde. Also man hat vom Grundsatz eine Pressemitteilung in der Zukunft formuliert, wenn man fiktiv dieses Produkt irgendwo launcht, um dann mit fiktivem Original Kommentar
Normen
Ach, witzig. Ja.
Marc
von einem Kunden, vom Geschäftsführer und so weiter, sagt, warum rettet dieses Produkt jetzt die Welt oder ist besonders klasse und hat dann noch ein paar FAQs gemacht, wie in so einer Art Pressemitteilung, um eben vom Ende her zu kommen und zu arbeiten. Das bedeutet aber, in diesen Docs, in diesen fiktiven Pressemitteilungen wurden natürlich die geheimsten aller Geheime Entwicklungen, sage ich mal, formuliert. Ich habe das teilweise jetzt natürlich für meine Tätigkeit bei Steinbeis übernommen. Das heißt, ich tue mich jetzt schwer, dir genau jetzt die Pressemitteilung zu verraten, an denen wir vielleicht gerade irgendwo arbeiten. Aber wenn du unbedingt eine Pressemitteilung willst, dann vielleicht die Friedensverhandlungen erfolgreich abgeschlossen. Russland und Ukraine unterschreiben Friedensabkommen auf Recyclingpapier von Steinbeis.
Normen
Eine wunderbare Pressemeldung. Marc, ich verneige mich von dir. Danke für das tolle Gespräch und ich wünsche dir eine tolle Zeit bei den Veränderungsprozessen, die bei Steinbeis auf dich auf euch warten. Gutes Gelingen dabei.
Marc
Danke.